Verrückt? Na und! *

Seelisch fit in Schule ab Klasse 8 und Ausbildung

*Dieses Programm entspricht den Qualitätskriterien der „Grüne Liste Prävention“.

Verantwortliche / Anbieter

„Verrückt? Na und “ ist ein Programm von Irrsinnig Menschlich e.V.  Es ist ein Modellprojekt von gesundheitsziele.de.

Irrsinnig Menschlich e.V.
Dr. Manuela Richter-Werling
Erich-Zeigner-Allee 69-73
04229 Leipzig
Tel.: 0341 2228990
E-Mail: m.richter-werling@irrsinnig-menschlich.de
http://www.irrsinnig-menschlich.de

Landeskoordination »Verrückt? Na und!« Niedersachsen,
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V.
Jeanett Bonecke
Tel.: 0511 3881189-222
E-Mail: jeanett.bonecke@gesundheit-nds-hb.de

Mareile Deppe
Tel.: 0511 3881189-225
E-Mail: mareile.deppe@gesundheit-nds-hb.de

Zielsetzung

Kein Lebensalter ist so anfällig für Probleme, die die eigenen Lösungsmöglichkeiten übersteigen, wie die Jugendzeit! Seelische Krankheiten, Süchte und selbstschädigendes Verhalten beginnen in keiner Lebensphase so häufig wie in der Pubertät. Dennoch vergehen in Schnitt Jahre, bis Betroffene Hilfe suchen und finden. Die größte Hürde für sie ist die Angst, stigmatisiert zu werden.

Das Präventionsprogramm „Verrückt? Na und!“ für Jugendliche ab Klasse 8 und ihre Lehrkräfte will diese Zeitspanne verkürzen, indem es psychische Krisen klassenweise zur Sprache bringt. Es besteht im Kern aus Schultagen zur seelischen Gesundheit und hilft jungen Menschen, ihre Not früher zu erkennen, sich nicht zu verstecken und Unterstützung anzunehmen. Damit erhöhen sich die Chancen auf Schul- und Ausbildungserfolg.

Die starke Wirkung von „Verrückt? Na und!“ entsteht durch die Begegnung mit Menschen, die psychische Krisen erfahren und gemeistert haben.

Zielgruppe

Junge Menschen und ihre Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II ab Klasse 8 sowie alle Ausbildungsjahrgänge.

Inhalte und Methodik

„Verrückt? Na und!“ verfolgt einen universellen Ansatz der Gesundheitsförderung und geht auf die Bedürfnisse der Jugendlichen ein.
Handlungsansatz
Ein Team aus fachlichen (Psycholog*innen, Sozialpädagog*innen) und persönlichen Expert*innen (Menschen, die psychische Krisen gemeistert haben) kommt zu einen Schultag in die Schule und lädt Schulklassen und ihre Klassenlehrer*innen zu einem offenen Austausch über die großen und kleinen Fragen zur seelischen Gesundheit ein.
Ausgangspunkt
Die Lebenserfahrungen der Klasse sind der Ausgangspunkt. Häufige Themen sind: Prüfungsstress, Mobbing, Schulleistungen, Belastung durch Krankheit, Suizid, psychisch kranke Eltern, Drogen, Alkohol, Zukunftssorgen und ob man seelische Krisen überhaupt ansprechen darf, ohne gleich „abgestempelt“ zu werden. Durch die Begegnung mit den persönlichen Experten bekommt das komplexe Konstrukt „seelische Gesundheit“ ein Gesicht, ist zum Greifen nah – und dabei ganz normal. Das ist der Schlüssel zur Veränderung von Einstellungen und bestenfalls Verhalten bei Schüler*innen und Lehrkräften. Umfangreiches Material ermöglicht eine nachhaltige Begleitung in der Schule. Am wirksamsten ist es, wenn der Schultag in gesundheitsförderliche Schulentwicklung integriert wird.
Material
Ergänzt wird der Schultag mit jugendgerechten Materialien und Medien:

  • Hilfebox mit Pocket-Guides zu verschiedenen Themen:  „Was Dich stark macht“, „Gelähmt vor Angst“, „Selbstverletzendes Verhalten“, „Depression“, „Mobbing im Klassenzimmer“ usw.,
  • Regionale Krisen-Auswegweiser,
  • Wanderausstellung „Wie geht’s?“,
  • Internetplattform www.verrueckt-na-und.de .

Inhalte des Schultags sind, dass Lehrer*innen und Schüler*innen

  • Warnsignale seelischer Krisen kennen lernen,
  • über verschiedene jugendtypische Bewältigungsstrategien sprechen,
  • bestehende Ängste und Vorurteile gegenüber seelischen Krisen hinterfragen und verringern,
  • erfahren, wer und was helfen kann.

„Verrückt? Na und!“ kann mit den Angeboten von MindMatters kombiniert werden.

Rahmenbedingungen

Für Schulen:

  • Die Schule informiert das Team von „Verrückt? Na und!“ vorab über ihre Erwartungen an den Schultag, die Situation und die Bedürfnisse der Klasse.
  • Sie holt intern die Zustimmung der entscheidenden Personen in ihrer Schule ein wie z.B. der Schulleitung, des Präventionsbeauftragten, der Schulsozialarbeit usw..
  • Sie stellt einen Schultag von 5 bis 6 Schulstunden bereit.
  • Der/die Klassenlehrer*in oder eine andere Person aus der Schule begleitet den „Verrückt? Na und!“ – Schultag.
  • Der/die Klassenlehrer*in und die Schüler*innen füllen am Ende einen Feedbackbogen aus.

Für Kooperationspartner*innen:

Das sind Träger der psychosozialen Versorgung, der Prävention und Gesundheitsförderung, die in ihrer Region „Verrückt? Na und!“ an Schulen durchführen. Irrsinnig Menschlich e.V. stellt dafür Konzept und Material bereit und sorgt für die Ausbildung der Experten. Folgende Anforderungen an die Kooperationspartner haben sich als sinnvoll erwiesen:

  • Erfahrung in der Jugendarbeit und Arbeit mit jungen Erwachsenen,
  • Erfahrung in medizinischen, psychosozialen, psychologischen und psychiatrischen Tätigkeitsfeldern,
  • Kontakte zu Schulen/Bildungseinrichtungen,
  • gute Vernetzung und Reputation in der Kommune,
  • Kapazitäten, mindestens 10 Schultage pro Schuljahr durchzuführen,
  • Bereitschaft, persönliche Expert*innen zu gewinnen und in die Leistungserbringung und Weiterentwicklung des Angebots einzubeziehen.

Schulungsangebot für Multiplikator*innen in Schulen

Zur Zeit keine Multiplikator*innen-Schulungen möglich.

Evaluation

„Verrückt? Na und!“ wurde von der Universität Leipzig auf seine präventive und stigmareduzierende Wirkung untersucht. (Vgl. Conrad, I., Heider, D., Schomerus, G., Angermeyer, M.C. & Riedel-Heller, St. (2010). Präventiv und stigmareduzierend? –
Evaluation des Schulprojekts „Verrückt? Na und!“. ZPPP, 58 (4), 257-264.).
Zentrale Ergebnisse:
Schüler*innen

  • 95,5 % meinen, nach dem Projekt besser über seelische Gesundheit Bescheid zu wissen.
  • 63,2 % wollen noch mehr zum Thema erfahren.
  • 75 % sagen, dass die persönlichen Experten (Betroffene) für sie ein Vorbild sein könnten.
  • 73,7 % gaben an, dass sie mit einer seelischen Krise jetzt besser umgehen könnten. Dabei zeigten sich keine Unterschiede in Bezug auf Geschlecht und Schulform.
  • Sie wirken als Multiplikator*innen und verbreiten ihre Erkenntnisse durch anschließende Diskussion in den Familien und im Freundeskreis.
  • Hinsichtlich des Hilfesuchverhaltens zeigt die Evaluation, dass gleichaltrige Freund*innen (Peers) und der innerfamiliäre Kreis die entscheidenden Ansprechpartner*innen im Falle einer seelischen Krise sind.

Lehrkräfte und Schulen

  • Als bedeutsam erweist sich die Teilnahme der Klassenlehrer*innen am Schultag. Sie werden von vielen Schüler*innen als die wichtigsten schulische Ansprechpartner*innen im Falle einer seelischen Krise angesehen.
  • Der Schultag regt zum Diskurs an: Was hat Schule mit psychischer Gesundheit zu tun? Begreifen der Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Klassen-/Schulkima und Bildungserfolg. Starkes Interesse an Fortbildung ist nachgewiesen.
  • Die Regionalgruppen verabreden zunehmend dauerhafte Kooperationen mit Schulen und führen den Schultag zur seelischen Gesundheit jedes Schuljahr für alle Klassen einer Jahrgangsstufe durch.
  • Die Unterstützungsnetzwerke in- und außerhalb der Schule werden gestärkt.

Erfahrungsberichte, Verbreitung

Was Schüler*innen sagen: „Wir haben uns heute viel besser zugehört als sonst. Und manche haben wirklich schon krasse Sachen erlebt.“

Was Lehrkräfte sagen: „Ich habe heute mehr über Schüler erfahren als in einem ganzen Schuljahr. Das hilft uns als Klasse besser auf uns zu achten und gut zusammen zu wachsen.“

Mehr Erfahrungen aus Schulen können auf der Homepage von Irrsinnig Menschlich e.V.  abgerufen werden. Hier findet sich auch die Kooperations- und Ansprechpartner*innen.  „Verrückt? Na und!“ wurde 2001 entwickelt und wird seit 2006 über die Gründung von Regionalgruppen bundesweit angeboten.

2022 wurden in „Verrückt? Na und!“-Schultagen deutschlandweit 30.000 Schüler*innen und Lehrkräfte erreicht.

Bundesweite Reichweite (Stand 2023): 100 aktive Regionalgruppen mit Schwerpunkt in Hessen, NRW, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Thüringen usw. In den Gruppen engagieren sich über 500 Ehrenamtliche. In Niedersachen ist „Verrückt? Na und!“ bislang im Landkreis Grafschaft Bentheim, Landkreis Rotenburg (Wümme), in Oldenburg und Wolfsburg aktiv (Stand: 2023). International wird das Programm in Österreich, Tschechien und der Slowakei angeboten.

Kosten, Unterstützungs- und Finanzierungshinweise

Für Schulen:
Eine finanzielle Beteiligung ist in der Regel nicht zwingend erforderlich, jedoch erwünscht. Erfahrungsgemäß beteiligt sich die Mehrheit der Schulen mit 100,-€ pro „Verrückt? Na und!“ – Schultag.
Für Kooperationspartner:
Die realen Kosten von 6000,-€ für den dreitägigen Ausbildungsworkshop durch einen zertifizierte*n Trainer*in, für die Beratung bei der Gründung der Regionalgruppe, das Materialpaket und die regionale Anpassung der Informationsmaterialien werden von der AOK Niedersachsen übernommen.

Die jährliche Weiterbildungsgebühr von 800.-€ im Rahmen des Kooperationsvertrages mit Irrsinnig Menschlich e.V. trägt der regionale Kooperationspartner.

Bezüge zum Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen

„Verrückt? Na und!“ unterstützt grundsätzlich Ergebnisse und Wirkungen (QB 1) der Unterrichts- und Erziehungsarbeit und ist damit förderlich für die Erfüllung des Bildungsauftrages nach dem Niedersächsischen Schulgesetz. Es kann dazu beitragen, Schulqualität zu verbessern, insbesondere in den Qualitätsbereichen 2 bis 6.

QB 2: Lehren und Lernen
QM 2.2: Unterrichtsführung ( Lernklima)
QB 3: Leitung und Organisation
QM 3.2: Mitverantwortung (Pädagogische Verantwortung)
QM 3.3: Schulorganisation (Angebote der individuellen Beratung und Unterstützung)
QB 4: Ziele und Strategien der Schulentwicklung
QM 4.1: Schulprogramm (Leitbild)
QM 4.3: Berufliche Kompetenzen ( Fort- und Weiterbildung, Gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen)
QB 6: Kooperation und Beteiligung
QM 6.2: Kooperation nach außen (Erweiterung des Bildungsangebotes)
QM 6.3: Beteiligung (Schule als Lebensraum)

Erläuterungen:

  • Die Umsetzungsinhalte schaffen ein positives Lernklima.
  • Die Lehrkräfte und das pädagogische Personal übernehmen ihre pädagogische Verantwortung zur aktiven Verbesserung des Bildungsprozesses.
  • Externe Ansprechpartner*innen beraten und unterstützen SchülerInnen über weiterführende und psychosozial stabilisierende Möglichkeiten im Umgang mit seelischer Gesundheit.
  • Ziel ist die Verbesserung von Schulqualität sowie Arbeits- und Lernbedingungen. Bei Berücksichtigung im Leitbild kann es eine zu dokumentierende Maßnahme des Schulprogramms darstellen.
  • Lehrerfortbildungen werden angeboten.
  • Die „Förderung prosozialem Schülerverhaltens“ stellt eine Maßnahme im Sinne gesundheitsfördernder Arbeitsbedingungen dar.
  • Kooperation im Kollegium entsteht durch wechselseitige Beratung.
  • Das Angebot unterstützt die Gestaltung eines gesundheitsfördernden Erfahrungs- und Lernraums durch die Beteiligten.

Literatur / Quellen / Praxismaterialien

  • Conrad, I., Dietrich, S., Heider, D., Blume, A., Angermeyer, M.C. & Riedel-Heller, St. (2009): „Crazy? So what!“ A school programme to promote mental health and reduce stigma – results of a pilot study. Health Education, 109(4), 314-328,
  • Europäische Ministerielle WHO-Konferenz Psychische Gesundheit. Europäische Erklärung zur psychischen Gesundheit. Stand 14.01.2005,
    www.euro.who.int/de (Zugriff:21.12.2023)
  • Karow, A. et al. (2013). Die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Teil 2: Krankheitslast, Defizite des deutschen Versorgungssystems, Effektivität und Effizienz von „Early Intervention Services“. In: Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie 2013, 81(11), 628-638,
  • KKH-Allianz (2011). Weißbuch Prävention 2010I2011: Gesund jung?! Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag,
  • Steinebach, Ch., Gharabaghi, K. (Hrsg.) (2013). Resilienzförderung im Jugendalter. Praxis und Perspektiven. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag
  • http://www.irrsinnig-menschlich.de/ (Zugriff: 21.12.2023)