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Gesundheitliche Aufklärung (GA) und Gesundheitserziehung (GE)

Die Begriffe gesundheitliche Aufklärung (GA) und Gesundheitserziehung (GE) werden häufig synonym gebraucht, obwohl konzeptionelle und strategische Unterschiede bestehen. Darüber hinaus bestehen inhaltliche Gemeinsamkeiten mit den Termini Gesundheitsbildung, Gesundheitskompetenz und Gesundheitsberatung (Nöcker, 2017).

Die WHO hat 1998 den Begriff GE („health education“) zunächst als weit gefasstes Konzept definiert und den Ansatz der GA darin eingeschlossen (vgl. WHO, 1998b). GE beschreibt ein breites Spektrum von Aktivitäten, die von Informations- und Bildungsangeboten bis hin zu sozialer Mobilisierung und gesundheitspolitischer Interessenvertretung reichen. Mittlerweile wird GE als die gezielte Herbeiführung von Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten verstanden, die neben der (gesundheitlichen) Wissensvermittlung die Förderung von Motivation sowie von Fähigkeiten und Fertigkeiten wie auch von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beinhalten. GE zielt somit direkt auf die Förderung personaler Fähigkeiten und wird als komplementäre Strategie zur Veränderung von gesundheitsrelevanten Politikbereichen verstanden (vgl. WHO, 2021).

GE kann demnach als Strategie der individuellen Verhaltensmodifikation verstanden werden, deren erfolgreiche Ausführung sich am Grad der erreichten Gesundheitskompetenz bestimmen lässt. Gesundheitskompetenz wird so zum zentralen Outcome-Kriterium von gelungener GE, die darauf ausgerichtet sein soll, das individuelle Vermögen von Individuen zu fördern, Zugang zu und Gebrauch von Gesundheitsinformationen so zu gestalten, dass angemessene Gesundheitsentscheidungen getroffen werden (Nöcker, 2017).

Mit Errichtung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wurde eine Einrichtung geschaffen, die mit der Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen GE, der Aus- und Fortbildung der auf dem Gebiet der GE und GA tätigen Personen sowie der Verstärkung der GA und GE im Bundesgebiet beauftragt wurde. Aktivitäten und Angebote waren vor allem an Familien, Einrichtungen der Erziehung und des Gesundheitswesens ausgerichtet und thematisierten medizinisch begründetes Gefährdungs- und Krankheitswissen. Hauptzielgruppen waren Kinder und Jugendliche bzw. deren Eltern, die in ihren Wertvorstellungen, ihrer Motivation und ihren Verhaltensweisen zu gesundheitsgerechtem Verhalten angeleitet werden sollten. Dabei wurde ein weites Themenspektrum angesprochen, das sich von der Vermeidung von Alkoholmissbrauch über Drogenerziehung, Sexualerziehung, Unfallverhütung bis hin zur Zahngesundheit nahezu über alle relevanten gesundheitlichen Problembereiche erstreckte (ebd.).

Derweil werden diese Maßnahmen durch eine kaum mehr überschaubare Anzahl von Programmen und Projekten ergänzt. Sie nehmen dabei aber nicht nur Bezug auf pädagogische Theorien, sondern machen Anleihen bei anderen Fachdisziplinen (z.B. Psychologie, Soziologie, Kommunikationswissenschaften), die sie in der Praxis miteinander verbinden. Im Zentrum steht dabei weiterhin das Individuum, insbesondere die Steigerung psychosozialer Kompetenzen und lebenspraktischer Fertigkeiten (ebd.).

Obwohl der Begriff GA in der gleichen Tradition steht wie die GE, lassen sich schon in Bezug auf die adressierten Personen erste Unterschiede kenntlich machen. Während Erziehung als Konzept zur Verhaltensänderung vor allem auf Heranwachsende zielt, werden mit dem Begriff Aufklärung eher Adressat*innen mit mehr eigener Entscheidungsfreiheit angesprochen. GA bietet in diesem Sinne ein geprüfte und sachliche Informationen an und appelliert an die Eigenverantwortung der meist erwachsenen Bevölkerung (ebd.).

GA wird in Deutschland durch unterschiedlicher Träger angeboten. Es handelt sich u.a. um staatliche, halbstaatliche, nichtstaatliche, gemeinnützige, private, kommerzielle, religiöse und politische Träger auf bundesweiter, regionaler und kommunaler Ebene. Dazu zählen (Auswahl) die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die gesetzlichen und privaten Krankenkassen sowie ihre Verbände, aber auch Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen (ebd.).

Gesundheitliche Chancengleichheit

Gesundheitliche Chancengleichheit ist ein gesundheitspolitisches Leitziel, welches bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung, Erhaltung und Wiederherstellung ihrer Gesundheit haben. Anstelle von Gleichheit im Ergebnis fordert der Begriff Chancengleichheit vielmehr Gleichheit hinsichtlich von Möglichkeiten (vgl. quint-essenz, 2022).

Gesundheitliche Chancengerechtigkeit ist ein operatives Umsetzungsprinzip und bezieht sich auf das Schaffen der Bedingungen, die es allen Menschen ermöglichen, ein gesundes Leben zu führen (vgl. quint-essenz, 2022; Weber 2020).

Gesundheits-Apps

„Gesundheits-Apps können – je nach Anwendungsfeld − in Gesundheitsförderungs-, Präventions- und Medizin-Apps unterteilt werden. Eine weitere Differenzierung ergibt sich dahingehend, ob diese von der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert („App auf Rezept“) oder welche Methoden (z. B. Dokumentation) innerhalb der App angewendet werden (z. B. Tracking-Apps). Die Qualitätssicherung und -transparenz kann angesichts der zunehmenden Verbreitung von Gesundheits-Apps durch unterschiedliche Maßnahmen (Gütesiegel, Nachweispflicht des gesundheitlichen Nutzens etc.) erhöht werden“ (Scherenberg, 2022).

Gesundheits-Krankheits-Kontinuum

Das Gesundheits-Krankheitskontinuum stellt eines der vier Kernkomponenten des Modells der Salutogenese nach Antonovsky dar.

Gesundheit wird dabei nicht als Gegenteil von Krankheit verstanden, sondern als Zustand, der sich zwischen den beiden Polen „Gesundheit“ und „Krankheit“ bewegt. Gesundheit wird dabei zu einem dynamischen Zustand, der stets verbessert werden kann. Diese Sichtweise erleichtert die Wahrnehmung der gesunden Anteile eines Menschen, selbst bei schwerer Krankheit und in der Sterbephase. Nur so haben Menschen mit nichtheilbaren und/oder chronischen Erkrankungen die Möglichkeit, dass ihre Gesundheit auch in eine positive Richtung zu bewegen ist (vgl. Faltermaier, 2020; Klemperer, 2020).

Gesundheitsberatung

Die professionelle Gesundheitsberatung unterstützt Menschen bei Gesundheitsthemen und -problemen. Mittels wissenschaftlich fundierter und primär psychologischer und sozialer Methoden werden Veränderungsprozesse auf personaler Ebene angeregt und unterstützt, mit dem Ziel, die Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu verhindern und bei der Krankheitsbewältigung zu helfen (Krane & Linden, 2020).

Auf personaler Ebene findet die Gesundheitsberatung derzeit in vier Feldern statt:

  1. durch Fachleute verschiedener Professionen,
  2. in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Rehabilitationseinrichtungen oder Betrieben,
  3. durch Verbraucherinformation und Patientenberatung sowie
  4. im Internet.

Von der personalen Gesundheitsberatung unterschieden wird die gesundheitsbezogene Institutions- und Politikberatung, die z. B. im betrieblichen Gesundheitsmanagement eine Rolle spielt (ebd.).

Gesundheitsberichterstattung

„Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) beschreibt den Gesundheitszustand der Bevölkerung, die medizinische sowie pflegerische Versorgung und die damit verbundenen Kosten in Deutschland. Grundlage sind Daten des vom Robert Koch-Instituts (RKI) durchgeführten Gesundheitsmonitorings sowie andere epidemiologische Studien, amtliche Statistiken, epidemiologische Register sowie Routinedaten der Sozialversicherungsträger. Anhand ausgewählter Themen wird das gesamte Spektrum von den Rahmenbedingungen und der gesundheitlichen Lage über Gesundheitsverhalten und Gesundheitsgefährdungen, einzelnen wichtigen Krankheiten, Leistungen und Inanspruchnahme bis hin zu Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens in einer auch für Laien verständlichen Form dargestellt und die entsprechende Datenbasis zugänglich gemacht. Das Gesundheitsmonitoring am RKI ermöglicht mit seinen wiederkehrenden Erhebungen eine umfassende und kontinuierliche Beobachtung der gesundheitlichen Lage in Deutschland. Ziel der Erhebungen ist insbesondere die Gewinnung repräsentativer Daten zum Gesundheitszustand, zum Gesundheitsverhalten und zu gesundheitlichen Risiken über alle Altersgruppen hinweg“ (BMG, 2022a).

Gesundheitsbildung (GB)

Der Begriff Gesundheitsbildung (GB) beschreibt Lernprozesse, mit denen Menschen befähigt werden, gezielt Einfluss auf die Faktoren zu nehmen, die ihre Gesundheit bestimmen. Durch organisierte Bildungsprozesse werden Wissen und Fertigkeiten vermittelt, soziale Faktoren beleuchtet und Umweltbezüge hergestellt. Vermittelt werden gesundheitsbezogene Kompetenzen, die es ermöglichen, selbst zu entscheiden, ob, wann und wie das Alltagshandeln am Erhalt der Gesundheit ausgerichtet werden soll bzw. kann (Kracke & Sommer, 2022).

In Abgrenzung zur Gesundheitserziehung betont der Begriff der Gesundheitsbildung die Selbstbestimmung von informiert entscheidenden und handelnden Subjekten, die unter spezifischen Bedingungen leben und diese mitgestalten. Gesundheitsbildung ist auf Handeln als soziales Handeln gerichtet, nicht nur auf die Veränderung von Verhalten. Gesundheitsbildung impliziert einen Prozess der Befähigung und der zunehmenden Entscheidungs- und Handlungsmacht, beschreibt aber anders als der Begriff Empowerment/Befähigung weniger informelle, sondern eher formelle Lernprozesse (ebd.).

Gesundheitsergebnis

Ein Gesundheitsergebnis meint eine „Veränderung des Gesundheitszustandes eines Individuums, einer Gruppe oder einer Bevölkerung, die auf eine geplante Intervention oder Serie von Interventionen zurückzuführen ist, unabhängig davon, ob mit einer derartigen Intervention die Veränderung des Gesundheitszustandes beabsichtigt war.“ Mit dieser Definition wird das Ergebnis von geplanten Interventionen betont „sowie die Tatsache, dass Ergebnisse sich auf Individuen, Gruppen oder ganze Bevölkerungen beziehen können. Interventionen können staatliche Politiken und daraus resultierende Programme, Gesetze und Regulationen, oder Gesundheitsdienstleistungen und -programme einschließlich Gesundheitsförderungsprogramme umfassen. Sie können zudem beabsichtigte oder unbeabsichtigte Gesundheitsergebnisse staatlicher Politiken in anderen Sektoren als dem Gesundheitssektor umfassen. Gesundheitsergebnisse werden üblicherweise unter Anwendung von Gesundheitsindikatoren bewertet“ (WHO, 1998a, S. 11).

Gesundheitserziehung (GE)

Analog zur Differenzierung von *Erziehung und *Bildung wird in Deutschland zwischen Gesundheitserziehung/*Gesundheitsbildung (international ‚health education‘) unterschieden. So ist für Gesundheitserziehung ebenfalls das Moment der bewussten Einwirkung auf Menschen zur zielgerichteten Beeinflussung ihres Verhaltens durch professionelle Fachkräfte wesentlich. Als zentrale Zielsetzungen können allgemein genannt werden:

  • Die Schließung gesundheitsrelevanter Wissenslücken zur Ermöglichung angestrebter Verhaltensmodifikationen und effektiver Inanspruchnahmen von Unterstützungssystemen,
  • die themenspezifische Anhebung von Wissen und Fähigkeiten zur Auflösung gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen (Fehlernährung, Haltungsfehler, Alkoholmissbrauch etc.),
  • die verhältnisbezogene Anhebung von Wissen und Fähigkeiten zur Ermöglichung der aktiven Einflussnahme auf gesundheitsschädigende Rahmenbedingungen,
  • die Anhebung von Verantwortungsbewusstsein für die eigene und die ökologische Gesundheit sowie von Vertrauen in das eigene Vermögen, hier wirksam Einfluss nehmen zu können, als Grundlage für Gesundheitsverbesserungen.

GE kann entsprechend umfassen [vgl. Groene, 2006; WHO, 1998]: die Information über soziale, ökonomische, ökologische Gesundheitsdeterminanten sowie über allgemeine und individuelle Risikofaktoren/-verhaltensweisen und Möglichkeiten der Nutzung des Gesundheitssystems; die Information über politische und organisatorische Möglichkeiten zur Beeinflussung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesundheitsdeterminanten sowie die Entwicklung entsprechender Kompetenzen; die Entwicklung von Änderungsmotivation, Kompetenzen (*Lebenskompetenzen / life skills) und Vertrauen in die individuelle Selbstwirksamkeit.